Ein Tripbericht aus San José del Pacifico.
Dieser Text ist eine Langfassung meiner in der Lucy’s Rausch #16 und dem Schweizer Globetrotter erschienenen Artikel der Reihe „Zauberpilze in Mexiko”.
Im November 2022 habe ich mich zu meiner ersten Reise nach Mexiko aufgemacht. Nachdem ich Freunde in dem Strandörtchen Playa del Carmen, in der Nähe von Cancún, besucht hatte, bin ich in den Bundesstaat Oaxaca gereist. Warum? Nun, erstmal gilt die gleichnamige Hauptstadt Oaxaca als eines der angenehmsten Reiseziele Mexikos – und wegen der psychoaktiven Geschichte dieser Gegend! Hier wurde die psychoaktive Wirkung der mit Psilocybin-Pilze (Zauberpilze, Magic Mushrooms) erstmals der westlichen Kultur bekannt, nachdem diese für Jahrhunderte von indigenen Völkern für rituelle Traumreisen benutzt worden sind.
Disclaimer: Der folgende Artikel ist, wie alle Inhalte auf Der Tripreport, zur Aufklärung und Gefahrenminderung gedacht und ruft niemanden zum Konsum illegaler Drogen auf. Der unsachgemäße Gebrauch von psychedelischen und psychoaktiven Substanzen kann physische und psychische Schäden verursachen.
Ich befinde mich hier buchstäblich in den Wolken, denke ich mir, als die weißen Schwaden mich und die Landschaft mit Wirbeln in Zeitlupe eindecken. Eigentlich wollte ich hier von der Veranda meiner Cabaña den Sonnenuntergang hinter dem grünen Bergpanorama der Sierra von Oaxaca bewundern, während mich die Pilze langsam in Trance versetzen. Doch der klare Blick wird durch den Nachmittagsnebel verdeckt. Wie eine weiße Leinwand nimmt er mein ganzes Gesichtsfeld ein. Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Aufregung und Angst vermischen sich. Sind es wirklich die richtigen Pilze, die ich gerade gegessen habe? Fünf stattliche Exemplare der Sorte Psilocybe caerulescens sollten es gewesen sein, die hier unter dem Sammelbegriff Derrumbe — Erdrutschpilze — feilgeboten werden. Nun, die nächsten Minuten werden zeigen, wie ihr Effekt ist.
Zauberpilze kaufen in Mexiko, bzw. „Suche nach der heiligen Medizin”
Ganz so einfach, wie immer behauptet wird, war es nicht, hier in San José del Pacifico ein paar der lokalen Zauberpilze zu kaufen. Viele Reisende haben mir von schwachen und enttäuschenden Pilzerfahrungen berichtet. Und auch im Internet wird gewarnt, dass hier im Ort wohl auch wirkungslose Fungi an neugierige Tourist:innen verkauft werden. Es stimmt zwar, dass praktisch jede:r Hostel- oder Ladenbesitzer:in hier ein paar Pilze unter der Theke liegen hat und dass der Verkauf und Gebrauch nicht strafrechtlich verfolgt wird. Aber ich bin außerhalb der Regenzeit angekommen, Ende November, wo nur sehr wenige Fruchtkörper ihre Köpfchen aus den Erdspalten herausstrecken. An der stetigen Nachfrage der Backpacker:innen, die auf dem Weg zu Strandorten wie Puerto Escondito hier haltmachen, ändert die Saison nichts.
Meine Gedanken drehen sich weiter, werden greifbarer und reflexiver. Ein gutes Zeichen dafür, dass die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin langsam meine Rezeptoren besetzen. „Behandle sie mit Respekt, sie sind heilige Medizin”, hat mir Olivia* gesagt, als sie mir die Pilze, eingelegt in ein großes Baumblatt, überreicht hat. Ich habe ein gutes Gefühl bei ihr. Erst nach dem Abklappern einiger Souvenirläden, in denen die Verkäufer:innen mir nicht einmal den Namen der vertrockneten Krümel nennen konnten, die sie mir andrehen wollten, bin ich durch einen Tipp auf sie gestoßen. Gut, umgerechnet sechzig Euro fand ich für die Handvoll Waldfrüchte schon happig. Aber im Grunde sind diese hier in dem kleinen Dorf die Haupteinnahmequelle der Einwohner:innen.
Mit ihrem runden Gesicht, dem herzlichen Lächeln und den freundlichen Augen erinnert mich Olivia an die Shipibo-Schamanin, die mich in Peru vor einigen Jahren im Kreise ihrer Familie auf eine Ayahuasca-Reise gebracht hat. Dort musste ich sehr lange suchen, bevor ich die richtigen Menschen mit der richtigen Medizin gefunden habe.
Die psychedelischen Grundregeln von Set, Setting und Dosis befolge ich so gewissenhaft es geht. Ich bin positiv gestimmt, fühle mich fit und gesund und habe ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch. Gut, ich bin vollkommen alleine hier und kenne fast niemanden. Aber das ist kein ungewohntes oder gar beängstigendes Setting für mich. Am Morgen habe ich noch ein paar Traveler getroffen, mit denen ich in Oaxaca rumgehangen habe und die hier einen Zwischenstopp auf dem Weg zum Pazifik machen. Immerhin ein kleiner sozialer Anker — sollte etwas gründlich schiefgehen, hätte ich immerhin Leute, an die ich mich wenden könnte. Allein der Gedanke an diese potenzielle Hilfe gibt mir ein beruhigendes Gefühl für meinen Solotrip.
Bei der richtigen Dosis der Zauberpilze vertraute ich auf mein Zauberpilz-Wissen, der Empfehlung der Person, die sie mir verkauft hat, und der Digitalwaage, auf die meine Portion gelegt wurde. Olivia hat mir mehrere Portionsgrößen angeboten, und ich habe eine mittlere Größe gewählt. Etwa 9-10 Gramm Feuchtgewicht, getrocknet wären das 9,0-1 Gramm – eine recht bescheidene Dosis eigentlich. Aber Pilze können in ihrer Wirkung stark schwanken, und da ich doch ein wenig Respekt vor wilden mexikanischen Erdrutschpilzen habe und mit dieser Sorte noch Null Erfahrung habe, bleibe ich vorsichtig. Und: Ja – diese Dosis war mehr als ausreichend für mich.
Aber mit der Intention, also der Frage „Warum machst Du das?”, habe ich meine Schwierigkeiten. Das Gleiche kann ich allerdings auch für meine langen Soloreisen sagen. Sie haben mir mehr unvergessliche Erfahrungen bereitet als die Jahrzehnte davor daheim. Das war vor der pandemischen Reisepause. Jetzt habe ich eine Mietwohnung, eine feste Beziehung und bin fast doppelt so alt wie die meisten anderen Backpacker hier. Und mache trotzdem weiter. Mir kommt es vor, dass ich durch den Zauberpilztrip genauso ziellos gehe, wie durch die Welt. Und ich komme doch immer irgendwo an. Aber wie lange noch? Ich hoffe, meine Neugierde, mein Entdeckungsdrang belohnen mich noch eine ganze Weile mit Abenteuern.
Individualtourismus in den Tod! 🙂
Während ich über das Altern grüble, hallt die Stimme einer alten Frau in meinem Kopf: „Du wirst sterben! Oh, ja, daran führt kein Weg vorbei! Sterben wirst Du!”, keift sie lachend immer und immer wieder in einer mantraartigen Gedankenschleife. Ach ja. Das ist es, was Pilze machen. Sie locken Dich mit Versprechungen von magischen Visionen, nur um Dich eindringlich daran zu erinnern, wie unausweichlich das Ende deiner Existenz in dieser Realität ist.
Auf höheren Dosen kann dies zur vollständigen Auflösung des Egos führen – was das für mich bedeutet, schreibe ich hier im Tripreport demnächst mal auf. Nur kurz: Ich finde es absolut heilsam, sich von Zeit zu Zeit mit dem eigenen Tod zu beschäftigen und sich die eigene Sterblichkeit vor Augen zu führen. Mit Psilocybin verhält es sich in dieser Hinsicht etwa so, als würde man in eine Achterbahn steigen, die im Themenpark „Dein Tod” steht. Wenn der Bügel einmal unten ist, sollte man nicht mehr versuchen auszusteigen, sondern sich darauf einlassen – irgendwann endet die Fahrt und man kann draußen die Sonne genießen.
So langsam beginnt also der anstrengende Teil des Trips. Ich bewege mich behutsam von dem Verandastuhl in mein Zimmer und ins Bett. Der Geruch von weißem Copalharz, das ich zu Beginn meines selbstgestalteten Pilzrituals hier verräuchert habe, schwebt beruhigend in dem holzvertäfelten Raum. Hier habe ich dank Panoramafenster immer noch die gleiche Aussicht, nur eben mit wärmender Decke. Dieser Ort ist wie gemacht für einen Trip, denke ich mir und muss lachen, denn genau das ist er ja! Ein in die Hügel gepflanzter Garten mit kleinen Hütten, extra für den bewusstseinserweiternden Tourismus.
Die Top-Sehenswürdigkeiten in Mexiko auf Zauberpilzen
Ich schließe die Augen. Neonfarbene Pilzstrukturen wachsen hinter meinen Augenlidern und vergehen wieder. Totenköpfe grinsen mich in allen Spektralfarben an und verwandeln sich in tanzende Monster. Der aztekische Federschlangengott Quetzalcoatl schaut vorbei. Persönliche Dämonen bäumen sich auf und werden von den Pilzen zersetzt. Meine Eindrücke aus diesem Land verschmelzen unter dem Psilocybineinfluss mit Bildern aus den Tiefen meines, unseres Unbewusstseins.
Mexiko. Ein großer Traum, den ich mir hier erfülle. Feuriges Essen, präkolumbische Artefakte, Tequila und haushohe Kakteen. Seit drei Wochen bin ich schon unterwegs. In Playa del Carmen, unweit von der Gringometropole Cancún, habe ich zwei Kumpels in ihrem Urlaub besucht. Nach diesem touristischen Einstieg habe ich mich abgesetzt und bin alleine weitergezogen. Oaxaca, die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Südwesten des Landes, hat mich begeistert. Die Häuser der Innenstadt strahlen in grellem Gelb, knallendem Orange, und leuchtendem Pink, über den Straßen flirren festliche Flatterbändchen und an buchstäblich jeder Ecke kann man fantastische Street Art bewundern. Auf den Märkten habe ich mich an pikanten Tlayudas satt gegessen, in der Umgebung habe ich Überreste untergegangener Hochkulturen bestaunt und nachts habe ich trotz meiner deutschen Steifheit und mithilfe des lokalen Mezcals sogar etwas tanzen können. Gleichzeitig wird mir in den vernachlässigten Randbezirken abseits der blühenden Stadtzentren das Leid der Menschen hier vor Augen geführt: ein Kreislauf aus Armut, Korruption und schlimmster Gewalt.
Etwas Cannabis in Mexiko zum Runterkommen?
Kurzer Hinweis an alle Touris, die wissen wollen, wie kommt man in Mexiko an Cannabis? Große Vorsicht ist geboten, Weed ist in Mexiko zwar entkriminalisiert und in kleinen Mengen legal – das heißt aber nicht, dass man nicht trotzdem Ärger mit korrupten Polizisten oder Gangstern bekommen kann, wenn man naiv damit umgeht. Und: In der Fremde, unter ungewohnten Bedingungen, in der Hitze, alleine oder mit unbekannten Menschen zusammen, kann der Paranoia-Effekt des Grases in ungeahnte Höhen schellen.
Nach etwa zweieinhalb Stunden kumulieren die anstrengenden Visionen in einer Spitze hoffnungsfroher Glückseligkeit. Um den Trip noch etwas zu verlängern, gehe ich vor die Tür und zünde mir einen kleinen Joint an. Pur, gedreht aus einem braunen Stück Papiertüte. Seit ich mich letztes Jahr vom Tabak verabschiedet habe, habe ich die passenden Utensilien leider nicht mehr so parat.
Das Cannabis wirkt auf meine Psyche wie ein Blasebalg, der aus glimmenden Kohlen nochmal ein ordentliches Feuer entfacht. Ich setze mich wieder ins Bett und diesmal gesellt sich zu dem erweiterten Headspace auch noch ein Funken Paranoia. Die Angst kommt vorbei und sagt ‚Hallo, ich bin auch noch da. Was machst du denn hier ganz alleine irgendwo auf einem mexikanischen Berg in einem Zimmer mit papierdünner Tür in dunkelster Nacht?’.
Ich lenke mich ab, indem ich mir die Holzmaserungen an der Zimmerwand anschaue. Irgendwo hier hatte ich vorhin noch einen Gecko gesehen, der müsste sich hier immer noch mit mir im Zimmer befinden. Meine Augen fallen auf ein besonderes Muster in der Tür, das mich an etwas erinnert. Es nimmt immer weiter Gestalt an, so dass ich mich kurz darauf telepathisch mit einer interdimensionalen Gottesanbeterin unterhalten kann.
Irgendwann denke ich mir, okay, mein Kopf hat genug Zauberpilze für heute verarbeitet, so langsam sollte ich mein Fasten unterbrechen und wieder in die Realität zurückkehren. Ich packte meine Vorräte aus, unter anderem wohlweislich im Voraus besorgte Quesadillas, Kranky Schokoladendrops und Cracker. Dazu schalte ich den in der oberen Ecke des Fensters verstaubten Miniatur-Röhrenfernseher an, der mich mit ungefilterten Nachrichten über die neuesten Gewaltexesse des mexikanischen Drogenkriegs bestrahlt. Zuviel Realität. Ich schalte um und finde Celine Dion, die vor einem kreischenden Publikum mittelalter Frauen auf einer Geburtstagstorte tanzt und „It’s a Man’s World” singt. Ein lange überfälliger Lachanfall überkommt mich. Irgendwann schalte ich alles aus, lege mich hin und verfalle in einen tiefen traumlosen Schlaf. Am Morgen packe ich meine Sachen und ziehe weiter. Als ich auf den Bus warte, gesellt sich ein Straßenhund zu mir und lässt sich kraulen. In warmer Zufriedenheit genieße ich die Sonne und meine Reise.
Welche Erfahrungen habt ihr in Mexiko mit Zauberpilzen gemacht?